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Biographien 2018 und 2019

Erstverlegung am 11. Mai 2018 -
Biografien in der Reihenfolge der Verlegung
Biografie der Familie Mühlhauser
(heutige Schraudolphstraße 26, damals Hartmannstraße):
Albert Mühlhauser und Emma Mühlhauser sowie ihre Kinder Klara, Ernst, Franz und Stephanie Mühlhauser.

Der aus dem schwäbischen Krumbach-Hürben stammende Albert Mühlhauser hatte 1908 in Speyer Marie Dreyfuß geheiratet, Tochter des bekannten hiesigen Fabrikanten Sigmund Dreyfuß. Albert arbeitet beim Schwiegervater in dessen „Kleiderfabrik und Herrenmaßgeschäft“ im Anwesen Maximilianstraße 38/39, als Prokurist, später Teilhaber.

Das Ehepaar Mühlhauser hat vier Kinder – Stephanie (geb.1909), Franz (geb.1912), Ernst (geb.1913) und Nachkömmling Klara (geb.1919).

Noch vor 1920 können sie das bis dahin gemietete Haus Schraudolphstr. 26 kaufen. Albert Mühlhauser ist auch in der Jüdischen Gemeinde aktiv – er ist etliche Jahre im Vorstand, engagiert sich auch als Schriftführer im Verein Vereinigte Israelitische Wohltätigkeitsvereine.

Sohn Ernst emigriert als erster der Familie am 17. Mai1938 nach New York.

Sein älterer Bruder Franz emigriert nach Palästina: Am 7. November 1938 landet er in Haifa.

Stephanie flüchtet gleichfalls in der zweiten Jahreshälfte 1938 in die USA.

Wie die anderen männlichen Speyer Juden zwischen ca. 16 bis 65 Jahren wird auch Albert Mühlhäuser im November 1938 direkt nach der Reichspogromnacht für mehrere Wochen ins KZ  Dachau deportiert.

Kurz nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wird die Familie Mühlhauser zu einem „freiwilligen“ Verkauf gezwungen, das Haus wird arisiert. Sie müssen in ein sogenanntes Judenhaus ziehen.

Albert, Emma und Klara Mühlhauser werden mit weiteren Speyerer jüdischen Bürgern am 22. Oktober 1940  ins südfranzösische Lager Gurs deportiert.  Über das Lager Drancy folgt am 12. August 1942 die Deportation nach Auschwitz, wo alle drei ermordet werden.

Die drei älteren Geschwister von Klara,  Franz Mühlhauser nennt sich im späteren Staate Israel, Ephraim Millo. 1996 stirbt er in Jerusalem.

Sein Sohn Yoram reist mit seiner Frau Ofra, den beiden Söhnen Danny und Ori, den Schwiegertöchtern sowie zwei Enkelkindern aus Israel zur Verlegung der Stolpersteine für seine Familie nach Speyer. Auch Familienmitglieder aus Berlin sind bei der Verlegung anwesend.

Ernst Mühlhauser verstirbt 1978 und hinterlässt zwei Töchter. Eine von ihnen stirbt vor etlichen Jahren, die andere lebt mittlerweile in Jerusalem.

Stephanie schließlich hatte eine Tochter (74 Jahre), die in New York lebt.

Biografie der Familie Grünberg:
(heutige Schraudolphstraße 31, damals Hartmannstraße):
Benno und Irene Grünberg, Irenes Mutter Lina Rosenthal sowie für die Zwillinge Heini und Margit Grünberg.

 

Benno wird  im Jahre 1885 in der Nähe von Lodz, damals im sogenannten Russisch-Polen geboren. 1910 wandert er mit seiner ersten Frau Jenny geb. Bornstein ins Deutsche Reich aus. 1910 bis März 1917 ist er Kantor der jüdischen Gemeinde Schifferstadt, ehe ihn die Speyerer Gemeinde abwirbt. Ehefrau Jenny stirbt Anfang Dezember 1917. Anderthalb Jahre später heiratet Benno Grünberg in Gimbsheim bei Worms die von dort stammende Irene Rosenthal.

Ab 1927 wohnen die Grünbergs in der Hartmannstraße – ihre dritte Speyerer Wohnung. 

Die Familie besteht zunächst aus Benno Grünberg, seiner zweiten Frau Beate Erna (gen. Irene) geb. Rosenthal und Tochter Margot. Diese stirbt im Jahr 1928 im Alter von 8 Jahren.

Am 29. Juni 1929 kommen die Zwillinge Heinrich (genannt Heini) und Margarete (genannt Margit) zur Welt.

Im Jahre 1925 hatte die Familie die bayerische Staatsbürgerschaft erhalten. Doch im April 1934 wird sie den Grünbergs aufgrund des Gesetzes über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit entzogen – eine Bestimmung, die vor allem gegen 1918-1933 immigrierte sogenannte Ostjuden Anwendung fand.

Im Dezember 1936 erhält das Ehepaar einen Fremdenpass, doch der gilt nur für das Inland. Im Mai 1937 zieht Irenes verwitwete Mutter Lina Rosenthal geb. Kahn zur Familie nach Speyer.

Wie die meisten männlichen jüdischen Speyerer zwischen ca. 15 – 65 Jahren, wird auch er nach der Reichspogromnacht und der Zerstörung der Speyerer Synagoge am 9. November 1938 für etliche Wochen ins KZ Dachau deportiert.

Am 22. Oktober 1940 machen die Gauleiter Josef Bürckel und Robert Wagner ihre Gaue Baden, Pfalz und das Saarland „judenrein“ und über 6.500 Juden  werden ins Lager Gurs in Südfrankreich deportiert, darunter die gesamte Familie Grünberg: Eltern, beide Kinder und Großmutter Rosenthal.

Die 73jährige alte Dame erleidet auf dem Transport einen leichten Schlaganfall und stirbt im Lager am 8. April 1942.  

Benno Grünberg gelingt eine Kontaktaufnahme mit der OSE: Das Oeuvre de secours aux enfants ist eine noch heute bestehende Kinderhilfsorganisation, die sich im Zweiten Weltkrieg auch in der Resistance beteiligt. Die damals knapp 12jährigen Zwillinge dürfen im April 1941 mit etlichen anderen Kindern offiziell das Lager verlassen. Die OSE transportiert sie in eines ihrer Kinderheime, das Chateau Masgelier, wo sie einige Monate verbringen.

Am 24. September 1941 kommen sie, nach einigen Zwischenstopps, in New York an. Dort werden sie an verschiedene Pflegeeltern vermittelt.

2002 leben beide noch in den USA, haben Familie, Nachkommen und Enkel. Ihre Eltern haben sie bis auf ein kurzes Treffen vor der Abfahrt nie wiedergesehen.

Das Ehepaar Grünberg wird erst ins Lager nach Drancy, dann nach Auschwitz deportiert und am 12. August 1942 dort umgebracht.

Biografie der Familie Schultheis und Matuszewski:
(Im Lenhart 35):

Die Widerstandskämpfer Jakob und Emma Schultheis, Emma Matuszewski, Stanislaw Matuszewski und Ursula Matuszewski.

 

Jakob und Emma Schultheis sind die Gründer der Widerstandsgruppe »Speyerer Kameradschaft«. Gemeinsam mit ihrer Tochter Emma Matuszewski, deren Ehemann Stanislaw Matuszewski, dem aus Berghausen stammenden Wilhelm Kreutz und mit den Waldseern Stanislaus Peplinski und Elise Rohr (geb. Tremmel) bilden sie die Basis der Widerstandsgruppe. 

Von Herbst 1942 bis zu ihrer Verhaftung im April 1944 leistet das Ehepaar Schultheis aktiven Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime.  Sie unterstützen durch Sach- und Geldspenden die Familie des inhaftierten Kommunisten Ernst Thälmann, außerdem übersetzen sie Nachrichten fremdsprachiger Radiosender und organisieren die Weitergabe von Informationen an polnische und sowjetische Kriegsgefangene sowie Zwangsarbeiter in der Region Speyer, sie drucken regimekritische Flugblätter auf der Hühnerfarm von Fritz Jost und verhelfen politisch Verfolgten zur Flucht in die Schweiz.

Jakob Schultheis wird am 04. September 1891 in Speyer geboren. Im Ersten Weltkrieg dient er als Soldat und wird mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und später dem Frontkämpferehrenkreuz ausgezeichnet. Der gelernte Malermeister heiratet im Mai 1914 die aus Altlußheim stammende Emma Schweikert. Gemeinsam haben sie zwei Kinder. Ihr Sohn Ewald Schultheis fällt 1943 als Soldat im Zweiten Weltkrieg. Die Tochter Emma heiratet den Unteroffizier Stanislaw Matuszewski.

Emma Schultheis übernimmt in der Widerstandsgruppe eine wichtige Rolle. Sie trifft sich regelmäßig mit Rosa Tählmann und übergibt ihr die Spenden.

Am 16. April 1944 wird Emma Schultheis bei einer dieser Übergaben verhaftet. Ein eingesetzter Gestapo-Spitzel im engeren Kreis der Familie Thälmann deckt die Verbindung zu den Schultheis’ auf. Dies zieht mehrere Razzien und Verhaftungen mit sich.  
Die Tochter Emma Matuszewski ist hochschwanger als man sie in der Isolierzelle des Speyerer Stiftungskrankenhauses inhaftiert. Ihre Tochter Ursula kommt dort am 29. Juni 1944 zu Welt. Die beiden bleiben bis zu ihrer Befreiung durch die Amerikaner im März 1945 in Haft.

Jakob und Emma Schultheis sowie weiteren Mitgliedern der »Speyerer Kameradschaft« wird ab dem 09. Februar 1945 der Prozess in Potsdam gemacht. 

Der Urteilsspruch gegen die Mitglieder der »Speyerer Kameradschaft« fällt am

19. März 1945. Jakob Schultheis und sein Mitstreiter Stanislaus Peplinski werden an diesem Tag im Zuchthaus Brandenburg enthauptet. Emma Schultheis wird zu zwei Jahren Zuchthaus und Ehrverlust verurteilt.

Nach ihrer Urteilsverkündung bekommt Emma Schultheis die Gelegenheit sich zu äußern. Sie sagt: »Zum Urteil meines Mannes muss ich sagen, mein Mann ist kein Verbrecher. Mein Mann ist ein Ehrenmann und wird als Ehrenmann weiterleben.«

Nach ihrer Befreiung durch die sowjetische Armee birgt sie die Urne mit der Asche ihres Mannes und läuft mit ihr nach Speyer. Dort bekommt Jakob Schultheis im September 1945 ein Ehrenbegräbnis. Emma Schultheis stirbt 1978 in Speyer. 

 
Zweitverlegung am 15.April 2019-
Biografien in der Reihenfolge der Verlegung

Familie Steigleiter

›Im Frohsinn 1‹

Am 15. April werden Stolpersteine für Hugo Steigleiter, Elisabeth Steigleiter (geb. Wolff), Hermann Steigleiter, Hugo Karl Steigleiter und Heinz Ludwig (Henri) Steigleiter verlegt.

Hugo Steigleiter wird am 19. August 1891 in Speyer als Sohn des Spenglers Karl Steig­leiter (Jahrgang 1851) und der Zigarren­fabrikarbeiterin Franziska Steigleiter (Jahrgang 1867) geboren. Er dient im Ersten Weltkrieg und ist Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Bis zu seiner Hochzeit mit Elisabetha Wolff am 13. Juni 1918 in Speyer lebt der Rheinschiffer – er arbeitet als Steuer­mann und Lotse – bei seinen Eltern ›Im Frohsinn 6‹. Nach der Heirat zieht er in das Haus ›Im Frohsinn 1‹ zu den Eltern seiner Frau. Er adoptiert Elisabeths un­ehelichen Sohn Hermann, der am 20. Fe­bruar 1917 in Speyer geboren wird. Am 26. Januar 1920 wird der erste gemein­same Sohn Hugo Karl geboren. Heinz Ludwig folgt am 17. Februar 1926.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozia­listen wird Hugo Steigleiter ab Juni 1933 aufgrund seiner Mitgliedschaft in der KPD steckbrieflich gesucht. Er ist zu diesem Zeitpunkt Funktionär und zweiter Zentral­vorsitzender der KPD Bezirk Baden-Pfalz. Aus diesem Grund flieht er gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern am 22. September 1933 nach Lauterbourg und befährt den Rhein ab da nur noch zwischen Basel und Straßburg.

Die Brüder Hermann und Hugo Karl Steigleiter werden ebenfalls Rheinschiffer. Die Gestapo Karlsruhe überwacht im Oktober und November 1938 mehr als 20 Binnenschiffe und führt auf einigen Razzien durch. Im Zuge dieser Aktion werden mehrere Rheinschiffer festgenommen, darunter auch die beiden. Am 25. Ok­tober 1938 wird Hermann Steigleiter in Mannheim ver­haftet und kommt am 8. November 1938 im Gerichtsgefängnis Ludwigshafen in Untersuchungshaft. Immer wieder wird er in andere Gefängnisse verlegt. Am 19. März 1940 wird er vom Volks­gerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt. Dazu erhält er außerdem sechs Jahre Zuchthaus und die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Seine Ehefrau Antoinette (Jahrgang 1918) wird in Fran­kenthal inhaftiert und später in einem Ludwigshafener Krankenhaus zwangs­beschäftigt. Nach der Besetzung Frank­reichs durch das nationalsozialistische Regime, wird sie dorthin abgeschoben.

Hugo Karl Steigleiter wird am 27. Oktober 1938 auf dem französischen Schiff ›Dabo‹ verhaftet und nach Ludwigshafen gebracht. Auch er wird in verschiedene Gefängnisse verlegt und gemeinsam mit seinem Bruder Hermann am 15. Februar 1940 nach Berlin gebracht, wo sie gefesselt in Isolationshaft festgehalten werden. Auch Hugo Karl wird am 19. März 1940 vom Volksgerichtshof in Berlin zum Tode verurteilt, dazu kommen drei Jahre Zuchthaus und die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit. Die Anklage gegen die beiden Brüder lautete: „Landesverrat und Vorbereitung eines hochverräterischen Unterneh­mens, Verbreitung von kommunistischen Schriften, Unterstützung der Roten Hilfe und Mitgliedschaft im Kanal­- und Rheinschifferverband”. Der Reichs­minister der Justiz, Dr. Franz Gürtner, lehnt das gestellte Gnadengesuch ab. 

Hermann und Hugo Karl Steigleiter werden am 6. No­vember 1940 in Berlin­-Plötzensee durch das Fallbeil hingerichtet.

Nach der Hinrichtung ihrer Söhne wird Elisabeth Steigleiter depressiv.

Vater Hugo Steigleiter und sein jüngster Sohn Heinz, der sich später Henri nennt, sind in einer bewaffneten Gruppe der Résistance aktiv, die größtenteils aus Immigranten besteht und Wi­derstand gegen die deutsche Besatzungsmacht in Frankreich ausübt.

Elisabeth Steigleiter stirbt am 10. Dezember 1950 in einer psychiatrischen Klinik in Straßburg. Laut Anne Thérèse Dauer (Jahrgang 1926) starb sie an den Folgen ihrer Depression. Anne Thérèse Dauer und Hugo Steigleiter heiraten am 14. Dezember 1951 in Lauterbourg. Hugo Steigleiter stirbt am 24. Juni 1970 in einem Krankenhaus in Haguenau. Seine zweite Ehe­frau lebt noch heute in einem Altenheim in Lauterbourg. Henri (Heinz) Steigleiter heiratet Fernande Simonclaire, die er durch ihre Tätig­keit für das Französische Konsulat in Mainz kennenlernt. Die beiden haben mit Marie Elisabeth und Raymonde zwei Kinder.

 

 

Familie Scharff

›Maximilianstraße 68‹

​Am 15. April werden Stolpersteine für Lazarus und Karo­lina (Lina) Scharff sowie Frieda Beissinger (geb. Scharff) verlegt.

Lazarus Scharff wird am 15. August 1854 in Kleinfischlingen geboren und beteiligt sich mit 16 Jahren als Freiwilliger am Deutsch­-Französischen Krieg 1870/71. Als Kaufmann betreibt er eine Kolonialwarengroßhandlung auf der ›Maximi­lianstraße 68‹, die 1937 an seinen Prokuristen Theodor Fischer verkauft wird.

Am 28. August 1881 heiratet er die am 25. August 1861 in Blieskastel geborene Karolina (genannt Lina) Joseph und hat mit ihr zwei Töchter: Frieda (Jahrgang 1883) und Emma (Jahrgang 1884).

Tochter Frieda heiratet am 10. Oktober 1906 in Bruchsal den Zigarrenfabrikanten Isidor Beissinger (Jahrgang 1879). Nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Else Gertrud (Jahrgang 1908) lässt sich das Paar scheiden und Frieda zieht wieder zurück zu ihren Eltern.

Else Gertrud heiratet 1932 den in Berlin lebenden Verleger Miron Goldstein (später Mironescu), mit dem sie 1937 nach der Geburt der gemeinsamen Tochter Nofretete Zita (genannt Nofi) nach Rumänien übersiedelt. Die Familie wird während des Kriegs in einem Arbeitslager interniert. Im Jahr 1951 emigrieren sie nach Israel. Else hält sich in den 50er Jahren in Deutschland auf, um sich um die zahlreichen Rückerstattungsverfahren zu kümmern. 1954 nimmt sie sich in Heidelberg das Leben. Ihre Tochter Nofi lebt heute noch in Israel.

Lazarus’ Tochter Emma heiratet 1909 Ludwig Heilbronner und das Ehepaar zieht nach Düsseldorf. Ihre gemeinsame Tochter Liesl wird am 9. März 1924 gebo­ren. Liesl kann als 15jährige 1939 mit einem Kindertransport nach England gerettet werden. Sie heiratet Alfred Munden und lebt heute noch in Großbritan­nien. Ihre Eltern, Emma und Ludwig Heilbronner, werden 1941 nach Minsk deportiert und dort erschossen.

Lazarus’ Frau Lina stirbt am 24. Mai 1938 in Speyer und ist auf dem dortigen jüdi­schen Friedhof beigesetzt.

Tochter Frieda und er werden am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert. Er ist mit 86 Jahren der älteste Speyerer Bürger des Transports. Auch der Ex­-Ehemann von Frieda, Isidor Beissinger, wird in Gurs interniert. Ob die beiden sich im Lager begegnen, ist nicht bekannt.

Lazarus stirbt am 10. November 1940 in Gurs. Frieda wird erst von Gurs nach Les Milles deportiert, danach in das Übergangslager Drancy. Am 16. August 1942 wird sie mit Transport Nr. 19 nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wird. Als Sterbedatum legt man später den 8. Mai 1945 (Kriegsende) fest.

 

Familie Mayer

›Maximilianstraße 66‹
​Am 15. April werden Stolpersteine für Albert Mayer, Hele­ne Mayer und Sophie Siegel (geb. Mayer) verlegt.

Albert Mayer wird am 9. Oktober 1863 in Herxheim bei Landau geboren. Der gelernte Kaufmann erwirbt 1888 das Haus ›Maximilianstraße 66‹ und eröffnet darin ein Schuhgeschäft. Am 28. August 1889 heiratet er in Bruchsal Jenny Grünwald (geboren am 18. No­vember 1865 in Stuttgart). Gemeinsam bekommen die beiden zwei Kinder: Sophie (Jahrgang 1890) und Helene Bertha (Jahrgang 1892). Sophie heiratet am 24. Juli 1911 den aus Ingenheim stammenden Emil Siegel. Die gemeinsa­me Tochter Ruth wird am 27. Juni 1912 in Heidelberg geboren. Emil Siegel fällt während des Ersten Weltkriegs am 2. November 1914 als Unteroffizier im 1. Bayerischen Brigade­-Ersatzbataillon. Sophie zieht mit ihrer Tochter Ruth wieder in ihr Elternhaus.

Ihre Mutter, Jenny Mayer, stirbt am 1. Dezember 1931 in Speyer und wird auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt.

Helene Bertha Mayer begeht am 29. Juni 1939 Selbstmord. Ihr Grab befindet sich ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof in Speyer.

Albert Mayer wird am 22. Oktober 1940 nach Gurs deportiert, dann in das Lager Noé verlegt, wo er am 6. Mai 1941 stirbt. Er ist auf dem dazugehörigen Friedhof bestattet.

Seine Tochter Sophie wird ebenfalls 1940 nach Gurs deportiert. Danach folgt das Lager Noé und schließlich das Übergangslager Drancy. Von dort aus wird sie am 28. August 1942 nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihre Tochter Ruth wird die einzige Überlebende der Shoah in ihrer Familie sein. Sie zieht am 14. Oktober 1935 nach Darmstadt in die ›Annastraße 35‹ und heiratet. Das Ehepaar Sichel emigriert nach Israel.

 

 

Familie Cahn

›Maximilianstraße 64‹

Am 15. April werden Stolpersteine für Maximilian Cahn, Friederike Cahn (geb. Levkowitz), Alfred Cahn und Joel Hermann Cahn verlegt.

Maximilian Cahn wird am 6. Februar 1891 in Stolberg bei Aachen geboren. Am 4. Juli 1919 heiratet er die aus Weingarten stammende Thekla Eisemann (Jahr­gang 1892). Er führt ein Tabakwarengeschäft in der ›Maximilianstraße 64‹, hat den Vorsitz im Verband der pfälzischen Tabakhändler, ist Bassist im ›Gesang­verein Pfalz‹ und singt im Synagogenchor. Am 27. März 1922 wird der ge­meinsame Sohn Alfred Leopold geboren. Thekla Cahn stirbt acht Jahre später, 1930, und wird auf dem jüdischen Friedhof in Speyer beigesetzt.

Maximilian Cahn heiratet am 23. Juli 1932 seine zweite Frau Friederike Levkowitz. Mit in die Ehe bringt sie ein Klavier, was Alfreds Liebe zur Musik fördert und ihm die Möglichkeit gibt, Klavierunterricht zu erhalten. 1937 spielt er im Alter von 15 Jahren zur 100­-Jahr­-Feier in der Synagoge auf der Orgel das »Kol Ha’Schana«.

Ein Jahr später wird die Synagoge durch die Nationalsozialisten zerstört, auch das Cahn’sche Tabakgeschäft wird nicht verschont. Alfred und sein Vater Maximi­lian werden – wie alle männlichen Speyerer jüdischen Glaubens – verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Die Cahns kommen im Dezember 1938 wieder frei. Alfred flieht mit einem Onkel per Rheinschlepper nach Holland und von da nach Belgien. Maximilian und seine Frau Friederike fliehen nach Duisburg und warten auf ein Visum. Nach der Besetzung der Beneluxländer durch die deutschen Truppen, wird Alfred nach Frankreich über das Lager St. Cyprien in das Lager nach Gurs deportiert. Dort gründet er einen Kinderchor, um wenigsten den Kleinen etwas Ablenkung geben zu können. Dabei komponiert er die Melodie zum Gedicht: »Wir sind ganz junge Bäumchen«.

Im Juli 1942 beginnen die Massentransporte aus Frankreich in die Vernichtungslager im Osten. Doch Alfred Cahn wird nach Brest verlegt, wo er von einem Kontakt­mann der CVJM aus dem Lager befreit wird und vorerst sein Musikstudium fortsetzen kann. Als Deutschland ganz Frankreich besetzt, muss Alfred erneut fliehen. Nachdem er zunächst Unterschlupf bei einer Frau finden kann, die ihn als ihren Cousin ausgibt, gelingt ihm schließlich die Flucht nach Genf (Schweiz), wo er am Konservatorium Musik studiert.

Seinen Vater und seine Stiefmutter wird er nie mehr sehen. Die beiden werden ge­meinsam mit dem 1941 geborenen Sohn Joel Hermann Cahn am 22. April 1942 von Duisburg aus nach Izbica, Polen deportiert und von den Nationalso­zialisten ermordet.

1948 emigriert Alfred mit seiner Verlobten Ilse Stadler in die USA. Sie heiraten in New York und ziehen dann nach Milwaukee. Alfred Cahn arbeitet fortan als Klavierlehrer, Konzertpianist und Komponist. Am 21. März 2000 kommt er das erste Mal wieder nach Speyer und gibt ein Konzert. Er spielt dasselbe Potpourri religiöser, jüdischer Lieder, das er auch bereits 1937 bei der 100-­Jahr­-Feier der Synagoge gespielt hatte.

Er besucht weitere Male Speyer und trifft immer wieder Schüler, um als Zeitzeuge mit ihnen zu sprechen. Am 4. Februar 2016 stirbt Alfred Cahn kurz vor sei­nem 94. Geburtstag.

 

 

Familie Altschüler

›Maximilianstraße 61/62‹
Am 15. April werden Stolpersteine für Coelestine Alt­schüler, Lina Altschüler und Julius Altschüler verlegt.

Jenny, Maximilian, Coelestine, Karolina und Julius Altschüler leben Ende des 19. Jahr­hunderts in dem Haus ›Maximilianstraße 61/62‹. Im Erdgeschoss befindet sich ihre Textilwarenhandlung, die der Großvater Isaak Altschüler 1852 gegründet hatte. Die älteste Tochter Jenny (Jahrgang 1871) heiratet 1898 in Osterfeld Berthold Jülich. Die Ehe bleibt kinderlos.

Der jüngste Sohn Julius (Jahrgang 1876) übernimmt im Jahr 1911 die Leitung des Familienunternehmens. Seit 1868 gehört den Altschülers auch das Anwesen. Seine Schwestern Coelestine (Jahrgang 1873) und Karolina, genannt Lina, (Jahrgang 1874) bleiben unverheiratet und leben mit im Haus. Lina arbeitet mit Julius als gelernte Kauffrau im Textilgeschäft. Sie engagiert sich außerdem im Synagogenchor.

Sein Bruder Maximilian heiratet Suse Altschul 1913 in Wien. Der gemeinsame Sohn Herbert Ferdinand wird am 27. April 1918 in Speyer geboren. Nach Aufenthal­ten in Karlsbad, emigriert die Familie in die USA, wo Maximilian am 12. Ja­nuar 1948 stirbt.

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten, erfolgt am 1. April 1933 auch der Boykott des Geschäfts von Julius Altschüler. 1937 wird er überfallen und durch Schläge auf den Kopf verletzt. Am frühen Morgen des 10. November wird die Synagoge in Speyer niedergebrannt. Julius wird - wie alle männlichen Speyerer jüdischen Glaubens - am 10. November 1938 verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Seine Schwester Lina hält sich nach dem Novemberpogrom bei ihrer Nichte Alice Hertz in Köln auf.

Julius Altschüler emigriert am 22. Februar 1939 nach London, zu seinem Cousin Ernst Mayer.

Er darf als ›feindlicher Ausländer‹ in England nicht arbeiten, wird aber von seinen Ver­wandten aus den USA und England finanziell unterstützt.

Durch die Generalvollmacht, die alle männliche Speyerer jüdischen Glaubens am 12. November 1938 vor ihrer Deportation nach Dachau dem Kreiswirtschaftsberater der NSDAP unterzeichnen müssen, verliert auch Julius Altschüler sein Geschäft, sein Haus und seinen Besitz. 1941 geht das Haus endgültig an einen privaten Hausbesitzer. 

Coelestine Altschüler, die zuvor schon zeitweise in die Heil­ und Pflegeanstalt Klin­genmünster sowie von 11. September 1939 bis zum 14. September 1940 in die Oberfränkische Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg eingeliefert worden war, wird am 14. September 1940 in die Heil­- und Pflegeanstalt Eglfing­-Haar eingewiesen. Die Anstalt im Osten Münchens ist zu dem Zeitpunkt ein zentraler Ort der Selektion und auch der Tötung. Von dort wird sie in die Tötungsanstalt nach Hartheim gebracht, wo sie am 20. September 1940 ermordet wird.

Julius Altschüler kehrt am 19. Januar 1948 als Einziger seiner Familie in seine Heimatstadt Speyer zurück. Seine Anstrengungen, sein Haus und den Besitz seiner Familie wieder zu erhalten, scheitern. Die zuständigen Behörden ma­chen es den jüdischen Mitbürgern nicht leicht, da sie Besitz­-Listen anzweifeln, immer mehr Nachweise und Unterlagen fordern und die Unrechtmäßigkeit der Gesetze des NS­-Regimes in Frage stellen.

Julius Altschüler lebt bis zu seinem Tod am 1. Juli 1954 bei seiner ehemaligen Haus­hälterin Regine Witz in der Kutschergasse 14. Er ist auf dem jüdischen Fried­hof in Speyer beigesetzt.

 

 

Familie Mayer

›Maximilianstraße 47‹
Am 15. April werden Stolpersteine für Alfred Mayer, Else Mayer (geb. Weis), Bernhard Mayer und Hans (Jack) Mayer sowie Sigmund Mayer verlegt.

Alfred Mayer (geboren am 3. Mai 1896) dient mit 18 Jahren freiwillig – wie knapp 100 000 andere deutsche Bürger jüdischen Glaubens – im Ersten Weltkrieg. Der Vizefeldwebel wird mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet und bekommt noch zwei weitere Tapferkeitsauszeichnungen. Während seiner Zeit in britischer Kriegsgefangenschaft in Schottland lernt er die englische Spra­che.

1925 heiratet er Else Weis (Jahrgang 1903). Gemeinsam führen sie in der ›Maximilian­straße 47‹ ein Schuhgeschäft. Die beiden bekommen zwei Söhne: Bernhard wird am 19. November 1927 geboren und Hans Joachim – später wird er sich Jack nennen – am 7. Dezember 1930. Die beiden Brüder besuchen die Volks­schule in Speyer, bis sie aufgrund ihres jüdischen Glaubens vom Schulbesuch ausgeschlossen werden. Darauf­hin erhalten sie Unterricht in der Synagoge.

Alfreds lediger jüngerer Bruder Sigmund (Jahrgang. 1898) führt zunächst ein Geschäft in Schifferstadt und ist später Angestellter bei seinem Bruder in Speyer. 

Aufgrund der nationalsozialistischen Rassenideologie und des damit verbundenen Boykotts des Schuhgeschäfts, verschlimmert sich die Lebenssituation der Fa­milie zunehmend. Die Mayers werden regelmäßig von Sigmund und Hermann Weis (Verwandte von Else) besucht, die bereits in den 1890er Jahren in die USA emigriert waren.

Diese erkennen schnell, was die Machtübergabe an die Nationalsozialisten für ihren Deutschland verbliebene Familie bedeutet. Da für eine Einreise in die USA, Visa und finanzielle Bürgschaften notwendig sind und es Einwanderungsquo­ten gibt, rechnen sie damit, dass es zu langen Wartezeiten kommen wird. Trotzdem verfol­gen sie ihren Plan für alle Familienoberhäupter die Visa und Bürgschaften zu besorgen. Alfred Mayer kann Speyer am 18. Februar 1937 verlassen und nach Ohio emigrieren. Dort arbeitet er in einem Schuhgeschäft und legt Geld für seine Familie zurück. Seine Frau Else und die beiden Söhne können ein Jahr später, am 22. Februar 1938, folgen.

Sigmund Mayer kann am 4. März 1939 zu seiner Familie nach Ohio emigrieren. 

Die Familie ist nun wieder zusammen, doch das Leben, das sie zuvor geführt haben, existiert nicht mehr. Sie nehmen Untermieter auf, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Else spricht etwas Englisch, die beiden Söhne zunächst nicht. Else Mayer stirbt Anfang der 1950er Jahre.

Jack Mayer besucht als Erwachsener einige Male Speyer. Er und seine Frau Irma sind dabei, als die Synagoge ›Beith-Shalom‹ am 9. November 2011 ihrer Bestimmung übergeben wird. Zuletzt ist Jack im Juni 2018 in Speyer. Er zeigt seinen fünf Enkelkindern die Stadt, in der er und sein Bruder geboren wurden, und liest bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal in der Synagoge seiner Geburtsstadt aus der Tora.

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